... Auch Beatrix Eitel zeichnet, mit Bleistift auf Papier, aber auch mit Nadel und Faden. Ihre Arbeitsweise ist systematisch, folgt eigenen Regeln, ist langwierig. Mit der grundlegenden Form, der Linie, und äußerst sparsamen Mitteln erzeugt sie Arbeiten von großer Wirkung, die trotz ihrer Kleinheit und in der seriellen Anordnung verblüffende Wirkungen beim Betrachten erzielen. Ihre Nähe zur Konkreten Kunst ist augenscheinlich, aber nicht das Eigentliche, was sie antreibt. Beatrix Eitel interessieren Bezugssysteme, formaler wie inhaltlicher Art. So findet sie, dass ihre "Exerzitien", es sind Stickbilder in CD-Hüllen, in dieser Materialkombination äußerst charmant verpackt sind. Die "Schnittstellenanalysen", bei denen sie diejenigen Stellen, an denen sich die Linien im Bilde überschneiden, markiert hat, sowie die Serie "Wie Sand am Meer" zeugen von Konzentration, vom immer gleichen Rhythmus der Bewegung, von einem beinahe meditativen Zu-Sich-Selbst-Finden.
Sabine Heilig (2014)
In meiner Kindheit wurde ich mit Nicht-Überfluß in einem totalitären Staat konfrontiert, in meiner Jugend erlebte ich Überfluss und Konsum in einer Demokratie. Zwei sehr gegensätzliche Lebensumstände, die mich beide in gewisser Weise geprägt haben. Ein Spannungsfeld, aus dem heraus in den letzten Jahren die meisten meiner Arbeiten entstanden sind.
Wesentlich für meine Herangehensweise ist, grundlegende elementare Formen und Strukturen herauszuarbeiten, Unwichtiges weg zu lassen. Ich setze Formen aneinander, die kaum weiter reduzierbar sind. Ich verwende vorgefundene alltägliche Gebrauchs- und Ver-brauchsgegenstände. Ich erzeuge Strukturen, durch Aneinanderreihung und Wiederholung dieser Formen. Es entstehen Ordnungsstrukturen. Diese Ordnungen geben hier Halt, lassen jedoch Raum für Zufälligkeiten, für Unvorhersehbares, für nicht Steuerbares. Sie bieten Raum für Beobachtung, für eigene Wahrnehmung und eigenes Denken. Die geringe Unterschiedlichkeit der gezeichneten, gemalten, gestempelten, frottierten und der aneinander gereihten Formen, der Rhythmus der stetigen Wiederholung bricht die Gleichförmigkeit, die Langeweile. Gleich gedachte Formen gleichen sich nicht wirklich.
Ich benutze für meine Arbeit Dinge unseres Alltags und gebe ihnen eine veränderte, sinnlich wahrnehmbare Form. Der Betrachter erfährt diese Alltagsgegenstände so in bis dahin vielleicht nicht gedachter und wahrgenommener Weise. Damit wird den Formen, den Dingen eine Aufmerksamkeit zuteil, wie sie ihnen bis dahin kaum geschenkt wurde.
In den kleinen Dingen des Alltags öffnen sich mir Welten, in denen ich zu lesen versuche. Es werden Gesetzmäßigkeiten erkennbar und gleichzeitig erfahre ich ungeahnte Freiräume. In den kleinen Dingen des Alltags finde ich Stille.
Beatrix Eitel
Donaukurier Ingolstadt 1. Juli 2011
Pfaffenhofen (DK)
... und über anderes ehrfurchtsvoll staunen. Etwa über die feinen Arbeiten der Berufskünstlerin Beatrix Eitel, die zweifelsfrei zu den besten der Schau gehören. Das lineare Moment der Kleiderbügel nimmt die 47-Jährige reduziert als Bleistiftzeichnung auf Seidenpapier auf; hintereinandergelegt ergeben sich berückende, ebenso abstrakte wie narrative Formen. Wie Zeichnungen wirken auch ihre seriellen Kleiderbügel-Wandobjekte; "Drahtzeichnungen" heißen sie zurecht.
Karin Derstroff
Donaukurier Ingolstadt 4./5. Feb. 2006
Die Jahresausstellung des BBK in der Harderbastei steht unter dem Motto mit Ziel Mallorca
Ingolstadt (DK) ...
Das Rennen gemacht haben, bestimmt durch eine überregionale BBK-Jury, Rudolf Ackermann, Beatrix Eitel, Thomas Neumaier, Christa Rausch, Konrad Risch und Viktor Scheck: Jene Gruppe, die unter dem Titel "cajas magicas" einen schlichten, großen Holzkasten als gemeinsame Vorgabe für individuelle Arbeit wählte...
Oder Rahmen wie in Beatrix Eitels verblüffender Installation - eine der gelungensten Arbeiten der Schau. Sage und schreibe 60 Mittelmeerinseln sägte sie als Negativform aus 60 Sperrholzplatten aus, die sich nun wie Dias aus dem Projektor seitlich aus der Kiste ziehen lassen. Und im Durchblick von vorn nach hinten geheimnisvoll krösige Innenkörperlichkeit bilden...
Karin Derstroff
Zeitungsartikel im Donau-Kurier zu meiner Ausstellung in der Harderbastei 2005
Ingolstadt (DK) Sie machen Musik: die Klangperformerin Limpe Fuchs und die Künstlerin Beatrix Eitel. Die eine zur Vernissage und später noch einmal in einem Konzert mit "Saiten, Röhren, Stäben", die andere vier Wochen lang mit Draht, Pinsel, Baumwollstreifen. Rhythmus, sagt Eitel während des Aufbaus ihrer Ausstellung in der Harderbastei, sei wesentlich für sie in ihrer Arbeit; nicht zufällig liefert die renommierte Experimentalmusikerin Fuchs also das Rahmenprogramm zur Schau, die sie auch einbezieht in ihre Klangperformance. Akustische zu optischen Kompositionen - denn als solche versteht Eitel ihr aktuelles Werk.
Das huldigt, in zweidimensionalen und dreidimensionalen Exponaten, der Linie, die die 41-Jährige auf beiden Ebenen fortschreibt zu seriellen Pattern. Weil Draht eben diese Linie lebt, ist er derzeit das bevorzugte Objektmaterial der studierten Grafikerin - nach Alltagswegwerfdingen wie Teebeuteln, Kaffeefiltern oder Joghurtbechern. Nah an der Zeichnung, die Eitel eigentlich verstärkt betreiben wollte, liegt der Draht und ist so etwas wie ein Kompromiss zwischen dieser Absicht und Eitels Drang, Dinge bienenfleißig in künstlerische Form zu hängen, ketteln, fügen. "DrahtZeichnung" heißt das Resultat im Ausstellungstitel treffend.
Drahtzeichnung also: eine Art Atommodell aus Sektkorkenkörbchen. Reliefbilder aus dem gleichen Material, in Serie sich vom Chaos zu innerer Ordnung fügend.
Kleiderbügellabyrinthe, lineare Werke aus Drahthängern, die in fast floralen Bildern ihre eigene mysteriöse Form behaupten. Denn Eitel biegt und ändert nichts, sondern fixiert die Bügel lediglich einen an den anderen. Worauf prompt deren Prototypik zusammengeht zu fast traditionellen Mustern. Haken winden sich zu stilisierten Blumenkränzen, Einbuchtungen schreiben schwungvolles Design. Das ist Umdeutung von Alltagsmaterial und zugleich Bügel exemplarisch!
Geschrieben wird übrigens auch in den wirklichen Zeichnungen den Drahtarbeiten gegenüber. Rhythmisch, mit dem Pinsel, in horizontaler Linien- und Schlingenführung, vertikal in blassen Tuschetupfen, locker und konzentriert zugleich; Schulübungen quasi mit verblasster Tinte. Das ist manchmal fast etwas zu hübsch - und findet seine Bestform als Prinzip im Nebenraum und einer anderen Erscheinungsform.
Die Überraschung dieser Schau: Installation. Schnüre an Schnüren, stoffstreifenbeknüpft, den Raum füllend wie ein großes, sanft der Schwerkraft folgendes Netz und doch dessen Gewölbeform nach unten hin zitierend. Sanft zittert Licht Schatten hinzu: Sah man dieses Zimmer je so deutlich, Eitels Kunstideen so präsent?
Karin Derstroff